Bild von LabVIEW in der Produktion – Herausforderungen, Trends und Alternativen

20. Okt 2025

LabVIEW in der Produktion – Herausforderungen, Trends und Alternativen

Viele Unternehmen setzen noch auf LabVIEW in der Produktion – doch Fachkräftemangel, steigende IT-Anforderungen und Lizenzkosten stellen das System zunehmend in Frage.

LabVIEW hat sich über Jahrzehnte in Forschung & Entwicklung und Produktion etabliert – dort besonders für Prüf- und Kalibriersysteme. Doch die Produktionswelt verändert sich rasant: Fachkräftemangel, steigende Anforderungen an IT-Sicherheit, Integration in digitale Ökosysteme und Lizenzkosten stellen Unternehmen vor neue Herausforderungen. Gleichzeitig eröffnen Technologien wie Python, moderne Web-Frameworks und Künstliche Intelligenz spannende Alternativen. 

Dieser Artikel beleuchtet den Status quo, zeigt zentrale Probleme auf und stellt Ansätze vor, wie Unternehmen ihre Produktionssysteme zukunftssicher aufstellen können. Adrian Kohlbrenner berichtet aus der Praxis.

LabVIEW in der Produktion – Wie weiter?

Und wieder eine Woche, in der ich einer LabVIEW Installation in einer Produktion begegne. Und wieder ein Kunde, der laut darüber nachdenkt, wie er damit umgehen soll. 

Als Dienstleister haben wir das Privileg, tief in Produktionsprozesse verschiedener Branchen einzutauchen und zu sehen, wie komplexe Aufgaben in der Produktion angegangen werden. Obwohl es keine universelle Lösung gibt, ähneln sich moderne Ansätze oft. 

In unserem Alltag treffen wir häufig auf ältere LabVIEW-Installationen, während wir auffällig wenig neue Systeme sehen. Kunden berichten von Herausforderungen mit LabVIEW und wünschen sich oft alternative Lösungen.

Der Status quo von LabVIEW

LabVIEW von National Instrumentes (NI) ist seit vielen Jahren ein bewährtes Werkzeug in der Automatisierung und Messtechnik. Es ermöglicht die einfache Integration von NI-Hardware und bietet eine grafische Programmierumgebung, die es auch Nicht-Programmierern ermöglicht, schnell Aufgaben in Messtechnik und Automatisierung zu lösen. Diese Benutzerfreundlichkeit hat LabVIEW in vielen Unternehmen populär gemacht, insbesondere in der Forschung und Entwicklung (F&E).

In der Produktion beobachten wir bei unseren Kunden in den letzten Jahren signifikante Veränderungen, die viele Unternehmen betreffen. Diese Entwicklungen veranlassen Produktionsmanager, sich intensiv mit der Zukunft digitaler Werkzeuge, insbesondere auch LabVIEW-basierter Lösungen, auseinanderzusetzen. 

Bei unseren Kunden sehen wir fünf zentrale Veränderungen und Herausforderungen:

1. Trennung von Produktentwicklung (F&E) und Produktion

Noch vor 20 Jahren war es üblich, dass Entwickler in F&E neben der Produktentwicklung auch (oft «nebenbei»!)  die Produktionsinfrastruktur entwickelt haben. Der Umstand, dass man so relativ leicht Änderungen und Erweiterungen realisieren konnte, wurde geschätzt. Diese Praxis, die F&E-Ressourcen bindet, wird heute aber von immer weniger Firmen praktiziert. Unternehmen trennen zunehmend die Produktentwicklung von der Entwicklung der Produktionsmittel. 

LabVIEW gelangte oft über F&E in die Produktion, was Vorteile bietet, aber auch ungewollte Abhängigkeiten schuf. Ausserdem unterschieden sich die Ziele für LabVIEW-Entwicklungen für F&E und für die Produktion stark: In F&E zählt oft kurze Entwicklungszeit und komplexer Funktionsumfang, in der Produktion ist hohe Verfügbarkeit, Skalierbarkeit und Wartbarkeit wichtig. 

Diese Trennung bringt für die Produktion und produktionsnahe Abteilungen (wie Qualitätssicherung) neue Herausforderungen, da sie nun komplexe Werkzeuge selbst entwickeln und warten oder zumindest für externe Entwickler spezifizieren müssen.

2. Mangel an qualifizierten Entwicklern

Das grösste Problem aber, welches sich unseren Kunden präsentiert ist der Mangel an qualifizierten LabVIEW-Entwicklern. Die Anzahl der Fachkräfte, die mit LabVIEW vertraut sind, nimmt ab, was die Wartung und Weiterentwicklung bestehender Systeme erschwert. Gerade jüngere Entwickler sind in einem messtechnischen Umfeld eher mit Python vertraut als mit LabVIEW. Dies führt zu einer Situation, in der viele Unternehmen vor der Herausforderung stehen, ihre Systeme weiterzuentwickeln oder zu aktualisieren, ohne über passende Ressourcen zu verfügen.

Erschwerend kommt hinzu, dass LabVIEW-Entwickler meistens keine ausgebildeten Software-Ingenieure sind. Dies hat sowohl Vor- als auch Nachteile: Es ermöglicht einer breiten Nutzerbasis den Zugang zu LabVIEW, führt jedoch zu eingeschränkten Lösungen, da den Entwicklern häufig die erforderlichen Kenntnisse in Softwarearchitektur und Digitalisierung fehlen. Dies erschwert die langfristige Wartung und Weiterentwicklung der Software.

 3. Wartbarkeit, Skalierbarkeit

Insbesondere bei Produktionsmitteln ist eine gute Wartbarkeit entscheidend. Viele unserer Kunden setzen Prüf- und Automatisierungslösungen über einen Zeitraum von 10, 15 oder sogar 20 Jahren ein. In dieser Zeit müssen die Systeme regelmässig gewartet, aktualisiert und erweitert werden, während die Anforderungen an die IT-Sicherheit steigen. Auch ist es heute oft nicht mehr praktikabel, dass ein einzelner Entwickler ein Werkzeug über einen längeren Zeitraum betreut.

LabVIEW weist vor diesem Hintergrund erhebliche Nachteile auf: Es eignet sich vor allem für „Einzelkämpfer“, skaliert jedoch vergleichsweise schlecht. Kunden berichten häufig von Schwierigkeiten, in einem verteilten Team daran zu arbeiten. Zudem ist die Trennung von F&E und Produktion für viele Unternehmen wichtig. Wenn beispielsweise ein Produktionswerkzeug aufgrund gestiegener Nachfrage dupliziert oder erweitert werden muss, ist die Unterstützung von F&E oft nicht mehr gegeben, was ein Problem des Lifecycle Managements darstellt. Daher wünschen sich Firmen gut wartbare und skalierbare Lösungen, die sie mit einem breiten Spektrum an Entwicklern und Dienstleistern umsetzen können.

4. IT-Sicherheit und Integration in digitale Ökosysteme

Produktionsinfrastrukturen, einschliesslich Prüfsystemen, sind zunehmend in digitale Produktionslandschaften integriert und vollständig vernetzt. In Verbindung mit immer grösseren Cyber-Bedrohungen steigen die Anforderungen der IT-Abteilungen an solche Installationen.

Moderne Produktion erfordert ausserdem eine starke Integration mit ERP- und MES-Systemen. LabVIEW ist Messtechnik- und Hardware-fokussiert und viele Unternehmen haben Schwierigkeiten, ihre LabVIEW-Anwendungen in digitale Ökosysteme zu integrieren. LabVIEW-Systeme sind oft nicht für diese Art der Integration ausgelegt oder LabVIEW-Entwickler nicht mit Digitalisierung und IT vertraut, was zu weiteren Herausforderungen führt.

5. Problem der Lizenzkosten

Erstaunlich oft hören wir, dass Lizenzkosten bei LabVIEW für viele Firmen ein Problem darstellen - insbesondere, wenn mehrere Lizenzen für verschiedene Prüfsysteme in der Produktion benötigt werden. Unternehmen sind hier oft gezwungen, nach kostengünstigeren Alternativen zu suchen, vor allem solche die «kostenlos skalieren».

Diesen Problemen und Herausforderungen stehen aber interessante Trends gegenüber:

Technologie-Trends

 1. Digitalisierung und Industrie 4.0

Die Digitalisierung und Industrie 4.0 haben die Anforderungen an Produktionssysteme erheblich verändert. Unternehmen müssen ihre Systeme so gestalten, dass sie in der Lage sind, Daten in Echtzeit zu erfassen und zu analysieren. Dies erfordert eine stärkere Integration von Softwarelösungen, die über die traditionellen Funktionen von LabVIEW hinausgehen. Das klingt zunächst nach einem Nachteil, ist aber oft ein Vorteil, da mit der Digitalisierung (hoffentlich!) ein echter Mehrwert geschaffen wird. Als Folge davon steht für einen Umbau oder eine Weiterentwicklung von Legacy-Systemen sehr oft «Digitalisierungs»-Budget zur Verfügung. 

2. Der Aufstieg von Python und von Web-Technologien

Python hat sich als kostengünstige, flexible und plattformunabhängige Alternative zu LabVIEW etabliert, unterstützt durch eine grosse Community und zahlreiche Bibliotheken. Besonders in F&E wird Python für seine moderne und agile Entwicklung bevorzugt. Python ist gerade bei jüngeren Entwicklern beliebt und erleichtert durch seine Bibliotheken und Community die Lösung spezifischer Probleme. 

Es muss aber nicht immer Python sein – bei Cudos setzen wir im industriellen Umfeld sehr oft C# und Webtechnologien wie Angular ein. Individualsoftware ganz allgemein und Python im speziellen, profitieren von standardisierten Schnittstellen (zum Beispiel zu Messgeräten), die neue Möglichkeiten für Individualsoftware bieten. Einheitliche Schnittstellen erleichtern den Zugriff auf Geräte und erhöhen die Interoperabilität und Flexibilität von Systemen.

3. Künstliche Intelligenz

Künstliche Intelligenz (KI) begleitet uns zunehmend im Alltag, sowohl als Hype in den Medien als auch als nützliche und immer mächtigere Technologie. KI wird zum Katalysator für Fortschritt und Anpassungsfähigkeit in der Softwareentwicklung. Ein Trend, der sich abzeichnet, ist, dass KI die Bedeutung standardisierter Software, verringert. 

Mit KI-gestützten Tools können Entwickler schneller massgeschneiderte Lösungen erstellen - insbesondere auch im industriellen Umfeld. Dadurch verlieren Standardpakete und No-Code und Lo-Code wie LabVIEW an Vorteil, da sie oft weniger anpassungsfähig sind und höhere Lizenzkosten verursachen. Unternehmen können so innovativere und kostengünstigere Systeme implementieren, die nahtlos in digitale Produktionsumgebungen integriert werden. 

Sie stehen vor der Frage, wie Sie Ihre LabVIEW-Systeme zukunftssicher aufstellen?

Sprechen Sie mit Adrian Kohlbrenner – er begleitet Unternehmen täglich bei der Modernisierung produktionsnaher Systeme und der Einführung moderner Alternativen.

adrian.kohlbrenner@cudos.ch

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Alternativen und Lösungen

1. Erwägen Sie den Einsatz von Python, C# und anderen modernen Technologien

Nutzen sie die Chancen, um in eine langfristig ausgelegte Architektur zu investieren, in welcher für jede Aufgabe die passende Technologie verwendet werden kann und die damit verbundenen häufigen Wechsel hinter langlebigen Web APIs verborgen sind. Damit können Verbesserungen effizient und kontinuierlich eingeführt werden und die Risiken für die Produktion bleiben gering.

2. Investieren Sie in die Digitalisierung und Industrie 4.0

Die Integration von Prüfsystemen in digitale Produktionslandschaften ist entscheidend und kann einen echten Mehrwert schaffen und bietet oft Budget für den Umbau oder die Weiterentwicklung von Legacy-Systemen.

3. Nutzen Sie das Potential von KI-gestützter Softwareenwicklung

KI transformiert die Entwicklung von Software. KI-gestützte Tools ermöglichen es, günstiger massgeschneiderte Lösungen zu erstellen, die nahtlos in digitale Produktionsumgebungen integriert werden können. Dies kann die Abhängigkeit von standardisierten Softwarepaketen verringern und innovativere sowie insgesamt kostengünstigere Systeme ermöglichen.

Fazit

LabVIEW hat sich über viele Jahre als bewährtes Werkzeug in der Automatisierungs- und Messtechnik etabliert, insbesondere in der Forschung und Entwicklung (F&E). In der Produktion stehen Unternehmen vor signifikanten Herausforderungen, die die Zukunft von LabVIEW-basierten Lösungen in Frage stellen. Die Trennung von F&E und Produktion, der Mangel an qualifizierten Entwicklern, die Schwierigkeiten bei Wartbarkeit und Skalierbarkeit, Lizenzkosten sowie die Integration in digitale Ökosysteme sind zentrale Probleme, die viele Unternehmen dazu veranlassen, nach Alternativen zu suchen.

Gleichzeitig zeigen sich Trends wie die Digitalisierung in der Produktion, der Aufstieg von Python und die Möglichkeiten von Künstlicher Intelligenz, die die Anforderungen an Produktionssysteme verändern und neue Möglichkeiten eröffnen. Insgesamt ist es entscheidend, vorausschauend auf die Herausforderungen zu reagieren und die Möglichkeiten neuer Technologien und Ansätze zu nutzen, um die Effizienz und Flexibilität in der Produktion zu steigern. 


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